Seedorf und andere...

Seedorf ist wie Lauterbach ein ruhiger kleiner Hafen. Umgeben von fetten Feldern, unweit schilfgeschützter Wasserflächen liegt das ziegelrote, 1665 fertig gewordene Schloss Spyker. Das ehemalige Urlauberprojekt des früheren Deutschen Arbeiter- und Bauernstaates, bietet jetzt nach gründlicher Renovierung wieder fürstliche Unterkunftsmöglichkeiten.

Hoch über der Ostsee thront Sassnitz, Fährehafen der Schiffe nach Dänemark und Schweden und im nahen Mukran wurde noch von den abgehalfterten Sozialisten die weitläufige Bucht mit einem weiteren riesigen Eisenbahnfährbahnhof total verschandelt. Von hieraus fahren die in Wismar gebauten größten Eisenbahnfährschiffe der Welt regelmäßig in die baltischen Staaten.


Fährhafen Neu-Mukran

Sassnitz, Hafen und Fischkutter



Höchstens dass die Bäume älter geworden sind, doch sonst scheint sich, seit Caspar David Friedrich mit seinen Gemälden, die Kreidefelsen weit über Rügen hinaus bekannt gemacht hat, wenig geändert zu haben. Zu Europas schönsten Küstenabschnitten zählt ein rund acht Kilometer langer Wanderweg nach Stubbenkammer. Unter dem schattigen Grün der Buchwälder geht es auf kreidiger Steilküste an der Ostsee entlang. Wer die Strasse nimmt, fährt über eine Landzunge durch die Haine der Stubnitz bis fast zum 119 m über dem Meer thronenden Königsstuhl. Ein steiler Weg windet sich durch eine enge Schlucht hinunter zur See. Über eine hölzerne Sprossenleiter gelangt man schließlich auf den Geröllstrand, sieht die weißen Kreidefelsen aus steilen Buchenwaldhängen herausblinken, die Wissower Klinken aber leuchten vormittags am schönsten.


Küste mit Kreidefelsen, Große Stubbenkammer

Wissower Klinken



Das Landschaftsbild der auf unserem Reiseatlas so filigran wirkenden Insel ist so abwechslungsreich wie seine Geschichte. Dänen, Pommern, Schweden und Preußen hatten Rügen in ihrem Besitz. Von 1801-1810 kurzzeitig sogar die Franzosen.

Zum Nordkap der Deutschen, nach Kap Arkona führt eine Landbrücke über die schmale Schaabe vorbei an Kieferwäldern nach Juliusruh und Altenkirchen; Ostsee und Boddengewässer sind mit ihren weißen Stränden nur wenige Gehminuten entfernt.

Vom Zeichenbrett Karl Friedrich Schinkels stammt Kap Arconas erster Leuchtturm, der zweite gleich daneben entstand erst nach der Jahrhundertwende. Ein etwas abseits stehender, dicker Backsteinturm wurde bis in die 30iger Jahre als Nebelsignalstation genutzt.


Kap Arconas erster Leuchtturm

Über einen schmalen, am Hochufer entlang führenden Wiesenpfad erreicht man nach anderthalb Kilometern das Fischerdorf Vitt. Seine 1816 fertig gestellte Kapelle steht unter Denkmalschutz wie auch das gesamte, sich hinter Bäumen und Erdwällen duckende Dorf mit seinen reetgedeckten Fischerkaten und weiß gekalkten, buntbemalten Häuschen. Am Ufer liegen mit Seilen gesicherte Fischerboote an einem neu erbauten Steg. Zwischenzeitlich von Touristen viel besucht, war das früher eher verträumte, abgeschiedene Vitt noch bis ins vergangene Jahrhundert hinein einer der wichtigsten Fischersiedlungen Rügens. Ein kleiner Andenkenladen und ein Imbissstand - es gibt auch fangfrische Räucherfische sowie private Zimmervermietung - wollen wenigstens während der Sommermonate etwas mehr Geld als sonst in das Dreizehnhäuserdorf bringen.  


Halbinsel Wittow, Dorf Witt

Halbinsel Wittow, Dorf Witt

Halbinsel Wittow, Dorf Vitt


Südlich von Parchow öffnet ein schmaler Meeresarm die Einfahrt in den Breeger sowie großen Jasmunder Bodden und erlaubt dem Bootsverkehr Zugang in ein Buchtenwirrwarr, wie es die Natur kaum schöner schaffen konnte. Ob sich hier Klauss Störtebecker nach seinen Kaperfahrten versteckt gehalten hat? Heute blinken weiße Segel ruhig dahin ziehender Yachten vom blauen Meer herüber. Angler genießen die im Norden länger dauernde Abende.

Weiter nach Schaprode geht es jetzt nur noch mit der Wittower Fähre. Seit 1896 besteht hier eine Schiffsverbindung über den Bodden. Die beiden altehrwürdigen Fährschiffe Fährschiffe stehen mit Baujahrdaten 1896 und 1911 längst unter Industriedenkmalschutz.

Die Dorfkneipe bei Trente serviert (nach Geschmack des Chronisten) die besten Fischgerichte auf der Insel und ein Mass halbdunklen Rostocker Hansebräus genossen, unter alten Bäumen, lässt die über der alten Dorfstraße samtig leuchtende Abendsonne langsamer versinken. Von hier aus sind die gelben Ufer von Hiddensee nur eine halbe Schiffstunde entfernt.

Am südöstlichen Ende, auf der Halbinsel Möchsgut polken Fischer in orangefarbenen Friesennerzen mit der Hand Ostseeheringe aus ihren Netzen. Doch nicht aller Fisch landet in den Bratpfannen der einheimischen Küchen, sondern eher in Kühlkästen aus Dänemark. Dort, so hören wir, ließen sich bessere Preise erzielen. von Seedorf mit seinen verträumt wirkenden Ankerplätzen fährt uns ein Fischer nach Vilm, ehemals Urlauberinsel vom früheren Chefsozialisten Honi. Ein Zeesboot mit braunen Segeln kreuzt vor uns im Greifswalder Bodden. "Überall ist Wasser auf Rügen, kein Ort liegt mehr als acht Kilometer vom Meer entfernt", so erklärt der freundliche Skipper.

Nirgendwo im Norden seien die Strände weißer, die Buchenwälder erhabener und stiller als auf Rügen. Störche staken durch fischreiche Schilfufer und über satte grüne Wiesen hinter fetten Fröschen her. Sonnenuntergänge können gelbroter und klarer kaum sein. Rügens grüne Alleentunnel geleiten uns auf einer der letzten Inselfahrten in sanften Windungen über die stille Pastorale nach Südosten. Dieser Spätsommerabend hat die ersten gelbroten Schatten auf die Blätter der alten Rügenbäume gemalt. Wir denken an unsere Rügenreise im letzten Jahr, als stürmische Herbsttage weiße Wolken über bunte Laubwälder jagden, als die endlos langen Kastanienalleen ihre Ernte mit Sturmböen auf holprige Katzenkopfstraßen warfen.

Sellin, Seebrücke



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